Auf dem Weg zur Bioökonomie: Leistungsstarker Biokatalysator entdeckt
Künftige Anwendungen vor allem in der Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe, aber auch in der Synthese von Feinchemikalien möglich#
In der Bioökonomie treten biotechnologische Verfahren an die Stelle von Syntheseverfahren, die fossile Ressourcen verbrauchen. Mikroorganismen und Enzyme werden dabei als Biokatalysatoren gezielt für die industrielle Produktion genutzt. Forscher der Universität Bayreuth haben jetzt ein Enzym entdeckt, das als Biokatalysator große Vorteile bietet. Es eignet sich hervorragend für die Herstellung von Wirkstoffen aus dem Bereich der Naturstoffe. Herkömmliche Syntheseverfahren dieser Wirkstoffe, die ein breites medizinisches Anwendungsspektrum haben, sind dagegen sehr aufwendig. In der Zeitschrift „ACS Catalysis“ stellen die Forscher um Prof Dr. Frank Hahn ihre Entdeckung vor.
Biotechnologische Herstellung von Natur- und Wirkstoffen
Die Natur hält eine Fülle von Substanzen bereit, die für den Menschen großen medizinischen Nutzen haben können. Aufgrund ihrer komplexen Strukturen können diese Naturstoffe aber häufig nur unter großem Aufwand mit üblichen chemischen Verfahren produziert werden. Ein vielversprechender Lösungsansatz ist die Verwendung von Biokatalysatoren, mit deren Hilfe sich die Herstellung oft erheblich vereinfachen lässt. Bei dem neuen von den Bayreuther Forschern entdeckten Biokatalysator handelt es sich um das Enzym AmbDH3. Damit können ringförmige Bausteine von Naturstoffen, sogenannte Tetrahydropyrane, hergestellt werden. Sie bewirken oft die biologische Aktivität von Naturstoffen und spielen daher eine wichtige Rolle bei medizinischen Anwendungen.
In ihrer Studie ist den Bayreuther Wissenschaftlern der Nachweis gelungen, dass sich mit AmbDH3 der antibiotisch aktive Wirkstoffkandidat „(–)-Centrolobin“ herstellen lässt. Auf dieser Basis will das Bayreuther Forschungsteam die Synthese weiterer, noch komplexerer Naturstoffe in Angriff nehmen. Ein Beispiel sind die Bryostatine, die wegen ihrer antiviralen Aktivität von großem Interesse für die Wirkstoffforschung sind. Sie könnten auch für die Behandlung von Krebs und Alzheimer in Frage kommen.
Ein vielseitiger und leistungsstarker Biokatalysator
Tetrahydropyrane sind ringförmige Moleküle, die der chemischen Gruppe der Heterozyklen angehören. Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Frank Hahn an der Universität Bayreuth zeigt in ihrer neuen Studie, dass mit Hilfe des Biokatalysators AmbDH3 sehr zahlreiche und sehr unterschiedliche Heterozyklen gewonnen werden können. Dabei hat der neue Biokatalysator den Vorzug, dass die räumliche Struktur der entstehenden ringförmigen Moleküle präzise gesteuert werden kann. Zudem ist AmbDH3 ein sehr stabiles Enzym und für die Herstellung großer Mengen der jeweils gewünschten Substanz geeignet. Bisher war kein Biokatalysator bekannt, der all diese Eigenschaften auf sich vereint.
AmbDH3 haben die Wissenschaftler bei der Untersuchung von Bakterien entdeckt, die dieses Enzym verwenden, um Ambruticin zu bilden. Hierbei handelt es sich um einen Wirkstoffkandidaten zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten.
Auf dem Weg zur nachhaltigen Bioökonomie
„Künftige Anwendungen für das Enzym AmbDH3 erwarte ich vor allem in der Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe, aber auch in der Synthese von Feinchemikalien. Unsere Forschungsgruppe ist zuversichtlich, dass wir weitere, mit AmbDH3 verwandte Enzyme entdecken können, die das Repertoire der Biokatalysatoren noch einmal deutlich erweitern. Unsere Arbeiten belegen: Die Biokatalyse kann wesentlich dazu beitragen, eine stärker auf natürliche Ressourcen zurückgreifende Wirtschaftsweise zu etablieren. Sie leistet damit einen Beitrag zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen“, sagt Hahn, der mit seinem Team an der Universität Bayreuth das Wirkstoffpotenzial von Naturstoffen und das synthetische Potenzial von Biosynthese-Enzymen erforscht.
Die Weiße Biotechnologie ist für die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie unverzichtbar. Indem Mikroorganismen oder Enzyme die Produktion von Substanzen übernehmen, die bisher durch ‚künstliche‘ chemische Syntheseverfahren gewonnen wurden, wird Energie eingespart, und es kommen deutlich weniger giftige Chemikalien zum Einsatz. An solchen schonenden Verfahren besteht großes Interesse seitens der chemischen und pharmazeutischen Industrie. „Durch neue Biokatalysatoren können Bereiche, die bis vor kurzem noch der traditionellen chemisch-synthetischen Methodologie vorbehalten waren, für die Bioökonomie erschlossen werden. Es wird in Zukunft darum gehen, die Vorteile beider Forschungs- und Entwicklungsansätze zielführend miteinander zu kombinieren“, erklärt Hahn.